Vortrag: "Julius Stinde – ein vergessenes Genie!" am 29.10.2014

Ein Vortrag von Gerrit Gätjens am 29.10.2014 um 19.30 Uhr
im Dorfmuseum Schönwalde

Dr. Julius Stinde, der 1841 in Kirchnüchel geboren wurde, in Lensahn aufwuchs und später sein Abitur in Eutin machte, war zu seinen Lebzeiten ein Bestsellerautor. Am nachhaltigsten verbreitet waren seine Bücher über die Familie Buchholz, in denen er das kleinbürgerliche Leben einer großstädtischen Familie auf satirisch-humoristische Weise beschrieb; sie wurden bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts immer wieder neu aufgelegt. Vermutlich durch den großen Erfolg beflügelt ließ Stinde seine Familie Buchholz das heimische Berlin – in dem auch Stinde bis zu seinem Tode im Jahre 1905 lebte – verlassen und nach Italien oder in den Orient reisen.

Stindes Spott war so beißend wie treffend: In seinem Roman „Emma“ parodierte er die gefühlsduselige Trivialliteratur von Hedwig Courths-Mahler und ihrer Geistesverwandtschaft, indem er die Unarten dieses Genres auf absurde Zuspitzungen verdichtete. In „Das Torfmoor“ war seine Zielscheibe der damals in Theater und Literatur aufkommende Naturalismus, und die aktuellen Strömungen der Naturwissenschaft waren Ziel seines pointierten Karikierens in „Die Opfer der Wissenschaft“. Ein Gebiet übrigens, auf dem sich Stinde gut auskannte, war er doch promovierter Chemiker. Als Journalist verfasste er, oft unter verschiedenen Pseudonymen, viele Arbeiten zu den unterschiedlichsten Themen, die allgemein als gut recherchiert und stilistisch versiert gelten.

Dass Stinde trotz seines Wohnsitzes in Berlin und seiner Weltläufigkeit – er reiste gerne und weit - seiner Ostholsteiner Heimat verbunden blieb, zeigt sich unter anderem daran, dass er auch in späteren Jahren einiges an plattdeutschen Gedichten und Geschichten veröffentlichte. Stinde starb 1905 unerwartet im sauerländischen Olsberg auf einer Reise und wurde in Lensahn bestattet.

Gerrit Gätjens, Mitarbeiter des Dorfmuseums Schönwalde, hat sich auf die Spuren des vergessenen Genies begeben und versucht, die Frage zu klären, warum Stinde - im Gegensatz etwa zu seinem Zeitgenossen Wilhelm Busch – so sehr in Vergessenheit geraten konnte. Mit ausgiebigen Leseproben aus dem Werk des Autors möchte er aber auch so etwas wie eine „Stinde-Renaissance“ anregen und dazu animieren, sich mit dem Werk des Autors auseinanderzusetzen.